Zukunftsweisend: Qualifizierungschancengesetz und Qualifizierungsverbünde

Wir wissen: Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt immens. So stellt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fest, dass viele Berufsbilder, wie wir sie heute kennen, wegfallen werden. Jedoch nicht ersatzlos: Zeitgleich werden viele neue Jobprofile entstehen! Zahlreiche andere Studien bestätigen diese Aussage im Grundsatz. Wer sich also gut auf den digitalen Wandel vorbereiten will, der investiert in die (eigene) Weiterbildung.

Dabei müssen zum einen Geringqualifizierte ins Boot geholt werden: Denn gerade – oder ausgerechnet – sie nehmen relativ selten an Bildungsmaßnahmen teil. Aber es geht längst nicht nur um diese Berufsgruppe: Die Zeiten, in denen man nach einem Hochschulstudium bis zur Rente dem einen Job nachgehen kann, sind passé. Das heißt konkret: Auch Fachkräfte und Akademiker müssen bereit sein, sich kontinuierlich mit Veränderungen der Arbeitswelt auseinanderzusetzen.

Qualifizierungschancengesetz: Gut!

Mit dem Qualifizierungschancengesetz, das 2019 in Kraft getreten ist, hat die Politik auf diese Thematik reagiert. Es besagt unter anderem: Jeder Arbeitgeber wird unterstützt, wenn es darum geht, seine Mitarbeiter zu qualifizieren.

Da sagen wir von Arbeitgeberseite erst einmal: Danke. Alles, was den Unternehmen hilft, ihre Mitarbeiter – und damit auch ihren Betrieb – zukunftsfähig zu machen, ist uns willkommen. Und ein Gesetz, das speziell auf das Thema Digitalisierung hin fördert, ist uns wesentlich lieber als ein Bildungszeitgesetz, das auch die Yogalehrer-Ambitionen der Mitarbeiter abdeckt...

Es freut mich, dass der Bundesgesetzgeber in 2020 das Qualifizierungschancengesetz nachgebessert hat (Exkurs: Das Gesetz heißt jetzt „Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung“ auch bekannt als „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“).

So wurden die Rahmenbedingungen im Vergleich zur 2019er-Version noch attraktiver gestaltet, insbesondere:

  • Höhere Fördersätze ermöglichen hochwertigere Weiterbildungsmaßnahmen, bis hin zum Hochschulniveau.
  • Die bürokratischen Hürden wurden abgebaut durch verschlankte Abläufe.

Qualifizierungschancengesetz: Wer wird wie gefördert?

Je nach Unternehmensgröße deckt die Bundesagentur für Arbeit einen Teil der Weiterbildungs- und Lohnfortzahlungskosten ab. Am meisten profitieren an dieser Stelle Kleinunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten: Für sie können beispielsweise die Kosten für die Weiterbildung komplett, die Lohnfortzahlungskosten bis zu 75 Prozent übernommen werden.

Ein Manko bleibt: Bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl werden auch Mitarbeiter der Muttergesellschaft mitgezählt. Dadurch wird zum Beispiel ein Betrieb mit 150 Mitarbeitern in Baden-Württemberg benachteiligt, wenn er einem amerikanischen oder chinesischen Konzern angehört.

Qualifizierungschancengesetz: Förderungen für Arbeitgeber

Förderungen für Arbeitgeber ab 1. Oktober 2020

Qualifizierungschancengesetz: Was wird gefördert?

Gehen wir einmal davon aus, dass Sie als Gerätehersteller Ihren Industriemechaniker in Richtung Elektrotechnik weiter entwickeln wollen. Oder Sie sind Automobilhersteller und wollen den Sprung vom Verbrennungsmotor in Richtung Brennstoffzelle machen, und dementsprechend Ihre Ingenieure weiterbilden. Dann gibt es folgendes zu beachten:

  • Es werden nur Mitarbeiter gefördert, deren Berufsausbildung mindestens vier Jahre zurückliegt.
  • Der Abstand zwischen zwei geförderten Weiterbildungen muss mindestens vier Jahre betragen.
  • Weiterbildungen, die einem Aufstieg dienen (z.B. Meister, Techniker oder auch der Masterabschluss) werden nicht gefördert.
  • Die Weiterbildung muss extern von einem dafür zugelassenen Bildungsträger durchgeführt werden oder im Unternehmen selbst, sofern sie von einem externen Dienstleister angeboten wird.
  • Die Weiterbildungsmaßnahme muss mehr als 120 Stunden dauern.

Weiterbildung - Jetzt!

Wenn Sie mich fragen, so steht Ihnen als Arbeitgeber nichts mehr im Wege, um das Thema Weiterbildung im eigenen Betrieb voranzutreiben. Insbesondere in Phasen der Kurzarbeit – so wie wir sie aktuell wegen der Corona-Pandemie haben – bietet das Gesetz eine gute Basis, um die eigene Belegschaft weiterzubilden. Das bringt das Unternehmen nach vorne und den Mitarbeiter ebenso.

Bleibt nur noch die Hausaufgabe offen, wie der Arbeitnehmer zu einer Weiterbildung besser motiviert werden kann. Denn eine Pflicht auf Weiterbildung gibt es ja nicht...

Von der Theorie zur Praxis: so geht’s!

Nun kennen Sie also die Fakten, die Rahmenbedingungen, kurz: die Theorie. Kommen wir jetzt zur Praxis. Es ist meiner Erfahrung nach nicht ganz einfach heraus zu finden, welche Maßnahmen es bereits gibt, welche ideal wären, wie ich diese in meinen Unternehmensablauf integriere und welche Fördermöglichkeiten von mir in Anspruch genommen werden können.

Da diese Herausforderungen auf viele Unternehmen gleichermaßen zukommen und nicht jedes Unternehmen diese allein bewältigen kann, möchten wir und unsere Partner mit den so genannten Qualifizierungsverbünden (QV) eine gemeinsame Plattform anbieten. So haben die Verbände Südwesttextil und Südwestmetall im Sinne ihrer Mitgliedsunternehmen das hiesige Bildungswerk (BIWE) mit einem Pilotprojekt beauftragt. Ziel ist es für die genannten Branchen Verbünde zu etablieren, in denen Unternehmen gemeinsam das Thema Digitalisierung und Weiterbildung angehen können. Unterstützt wird das Vorhaben vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium und der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.

Für Sie und Ihr Unternehmen bedeutet das konkret:

  1. Durch den QV wird ein Einstieg in Schulungen und/oder Ausbildung ermöglicht (z. B., wenn vorher aus Kosten- oder Kapazitätsgründen nicht geschult/ausgebildet wurde).
  2. Sie haben einen minimalen Aufwand bei der Organisation von Qualifizierungsmaßnahmen und -konzepten.
  3. Die Schulung im QV erhöht die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Betriebe.
  4. Effiziente Auslastung der Ressourcen in den Betrieben durch deren gemeinschaftliche Nutzung.
  5. Schaffung zusätzlicher (Aus-)Bildungsmöglichkeiten im QV.
  6. Bewältigung der Herausforderung Digitale Transformation.
  7. Aktiver Beitrag zur Stärkung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. sowie der Beschäftigungsfähigkeit aller Mitarbeiter.
  8. Best Practice und Benchmark von dem QV angeschlossenen Unternehmen wird für alle Beteiligten nutzbar.

Gemeinsam stark: die Qualifizierungsverbünde

Ich weiß aus meinen Gesprächen mit vielen Unternehmensvertretern, dass das Thema Digitalisierung und der damit einhergehende Wandel für Unsicherheit und manchmal sogar eine gewisse Lähmung sorgen. Deswegen kann ich Ihnen an dieser Stelle nur raten: Nutzen Sie diese Chance! Mit Hilfe der Qualifizierungsverbünde stehen Sie eng im Austausch mit Kollegen und werden in allen Fragen rund um Fortbildungsmöglichkeiten und Finanzierung bestens beraten.


Thorsten Würth

Thorsten Würth ist seit 2012 zuständig für die Bereiche Arbeitsmarktpolitik und Weiterbildung bei den Arbeitgebern Baden-Württemberg. Zuvor war er elf Jahre beim Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft Fachberater für Schulprojekte. Würth ist überzeugt, dass alle Potenziale gehoben werden müssen, damit Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem immer schneller werdenden Wandel erfolgreich begegnen.