Bevor Marc Staiger als Geschäftsführer in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist, hatte er nach dem Studium zum Dipl.-Ing. einen hoch dotierten Förderpreis das Landes NRW zur Umsetzung seines innovativen Business-Konzeptes über die erste internetbasierte Kooperationsplattform erhalten. Er hat dieses Startup 1999 gegründet, aufgebaut und 2008 erfolgreich verkauft.
Vielleicht gab ihm dieser Hintergrund das Selbstbewusstsein vieles grundlegend anders zu machen als sein Vater: „Er führte unser Unternehmen als Patriarch. Das hat zwar den Vorteil, dass man schnell Entscheidungen treffen und umsetzen lassen kann und auf eine Führungsebene verzichtet werden kann. Auf der anderen Seite macht man das Unternehmen stark von einer einzigen Person abhängig und bremst die Entwicklung des Unternehmens aus, weil eben alle Entscheidungen an einem Kopf hängen“
Seit seinem Einstieg in 2006 hat Marc Staiger dem Unternehmen eine neue, zeitgemäße Führungsstruktur verpasst, mit dem Ziel, dass Führungskräfte selbst Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch eine offene Mitarbeiterkommunikation: „Jeder macht Fehler. Am Ende zählt, dass man sich nicht aus Angst weg duckt, sondern daraus lernt.“ Privat ist er leidenschaftlicher Pilot und hält sich mit regelmäßigem Sport fit.
Wie würde Ihre siebenjährige Tochter Sie vorstellen?
Papa arbeitet immer nur und hat nie genug Zeit, und vor allem, dass man mit dem Papa – hier zitiere ich mal – „immer Quatsch machen kann und die Mama so streng ist“. Ab und an besucht sie mich hier und möchte dann die Maschinenhalle gezeigt bekommen, sie scheint also durchaus technikaffin zu sein. Klar bei ihr abgespeichert ist demnach auch: Wenn etwas kaputt ist, muss es der Papa reparieren, der ist schließlich Ingenieur. Und wenn sich jemand verletzt, dann muss die Mama ran – sie ist Chirurgin.
Was wollten Sie denn mit zehn Jahren werden?
Daran kann ich mich nicht erinnern, wahrscheinlich habe ich dem Vater nachgeeifert. Auf jeden Fall habe ich in dem Alter schon ab und zu in der Firma mitgeholfen, habe montiert, Teile zusammen geschraubt. Das hat mir einfach großen Spaß gemacht, das war wie basteln. So etwas ist heute gar nicht mehr vorstellbar – da würde direkt das Jugendamt auf der Matte stehen.
Welche drei Menschen beeindrucken Sie am meisten und warum?
Auch wenn es bitte nicht im positiven Sinne oder gar als Kompliment verstanden werden soll: Aber hier fällt mir, auch auf Grund seiner medialen Präsenz, Donald Trump ein. Er ist, wie wahrscheinlich kein anderer in diesen Tagen, zu einem „Gamechanger“ avanciert, der viel verändert – wenngleich der Ausgang an vielen Enden erschreckend ungewiss ist.
Dann finde ich Persönlichkeiten wie Professor Hans-Werner Sinn beeindruckend. Ich habe ihn kürzlich wieder bei einer Veranstaltung erleben dürfen. Der Typ ist genial. Ich könnte ihm stundenlang zuhören. In besagtem Vortrag hat er ein sehr kritisches Bild von Deutschland und unserem Europa gezeichnet. Dabei untermauert er seine Thesen immer solide mit Fakten und Statistiken, die öffentlich verfügbar sind, die aber nicht unbedingt von den einschlägigen Medien aufgegriffen werden; ganz im Interesse der Politik, die sich dadurch keinen unbequemen Fragen stellen muss. Wenn Menschen komplexe Themen so klar und umfassend beleuchtet darstellen können wie er, finde ich das sehr beeindruckend.
Und schließlich würde ich noch meinen Vater nennen. Er verdient größten Respekt für das, was er hier geschaffen hat. Auch wenn er sich immer noch sehr schwer damit tut, zu akzeptieren, dass man Unternehmen und die Mitarbeiter heute ganz anders führen muss.
Sind Sie eher…
… Bewahrer oder Innovator?
Innovator. Auch weil ich der tiefen Überzeugung bin, dass jede Veränderung eine Chance in sich birgt und dass Stillstand Rückschritt bedeutet. Es ist also wichtig neue Dinge auszuprobieren – auch wenn man damit das Scheitern in Kauf nehmen muss.
… Anleger oder Sparer?
Anleger.
… Lokalpatriot oder Weltenbummler?
Beides! Ich bin hier aufgewachsen, wir beschäftigen vorzugsweise Menschen aus der Region, die hier sozial verwurzelt sind, und ich fühle mich in diesem Umfeld einfach wohl. Das hier ist im besten Sinne mein Zuhause.
Auf der anderen Seite habe ich viel Spaß daran, andere Kulturen kennen zu lernen, habe selbst schon jeweils mehrere Monate in den USA, in Frankreich und Spanien gelebt und gearbeitet. Als Reiseland hat mich zum Beispiel Indien fasziniert. Wir haben Freunde in Mumbai und nicht zuletzt durch diese viele unterschiedliche Ecken dieses bunten Landes kennen lernen dürfen. Und ich esse mich gerne durch fremde Küchen: Wenn ich in China unterwegs bin, laufe ich in die Seitengassen und gehe in die Garküchen. Ich probiere alles, vorausgesetzt es bewegt sich nicht mehr. Ich weiß zwar nicht immer, was auf den Spießen am Straßenrand verkauft wird, aber Seegurken, Seesterne oder auch Hühnerbeine habe ich sicher schon verköstigt.
Welches Thema verfolgen Sie aktuell in den Medien am intensivsten, weil es Sie persönlich beschäftigt?
Die anhaltende Krise der europäischen Union und das Agieren des amerikanischen Präsidenten. Beides sind Themen, die uns auch im unternehmerischen Kontext beschäftigen: Wir bauen zum Beispiel gerade unser US-Geschäft aus, und umso gespannter bin ich natürlich, welche Rahmenbedingungen uns perspektivisch dort erwarten. Und innenpolitisch bleibt das Thema unserer unterschätzten Einwanderungspolitik ein Dauerbrenner, auch die kommenden Jahre noch.
Stichwort: New Work – was verbinden Sie damit und was ist das für Sie konkret?
Primär bedeutet „New Work“ für mich die Auflösung von Ort und Zeit der Arbeit, also wo und wann man arbeitet. Ich stehe zum Beispiel morgens um halb sechs auf und lese erst einmal meine Mails, vor allem die aus Amerika, Australien oder Neuseeland. Dann mache ich Sport. Dann geht’s ins Büro. Im Zug arbeite ich auch sehr gerne. Kurz und knapp: Ich erledige die Dinge dann, wenn sie anstehen und nicht nach einem vorgegebenem Zeitrahmen.
Auf ein Produktions-Umfeld bezogen, das örtlich vorgeben ist, bezieht sich New Work eher auf die flexible Gestaltung der Arbeitszeit, zum Vorteil von Unternehmen und auch Mitarbeitern.
Wie wird sich diese neue Arbeitswelt auf die Jobprofile auswirken?
Aufgaben dann zu erledigen wenn sie anfallen, haben wir bereits vor geraumer Zeit in unserer Firmenstruktur verankert: Jeder Mitarbeiter hat ein Gleitzeitkonto, selbst in der Produktion. Die Mitarbeiter können – wenn die Hütte mal brennt – bei uns also auch samstags kommen, und können diese aufgebauten Stunden dann an einem anderen Tag mit Freizeit ausgleichen. Anders geht es auch kaum mehr: Bei den Kundenwünschen gibt es immer weniger Kontinuität – sondern mehr und mehr „on demand“. Darauf müssen wir alle uns einstellen.
Daneben liegt „New Work“ ja auch das Thema Digitalisierung zu Grunde. Hier stehen aber keine großen Veränderungen bei uns an – wir sind an allen relevanten Stellen hoch automatisiert. Daneben wird es in der Produktion aber immer die kleinen, „besonderen“ Stückzahlen geben, bei denen wir auch zukünftig einen hohen Anteil an manueller Wertschöpfung haben werden.
Wo sehen Sie unsere Sozialsysteme in 10 Jahren?
Ich sehe unsere Sozialsysteme perspektivisch in keinem besonders guten Zustand. Die Politik ist seit Jahren einfach nicht mehr nachhaltig. Mir fehlt das Leistungsanspruchsdenken in unserer Politik, denn das ist es, was unsere Wirtschaft und unser Land groß gemacht hat. Heutzutage geht es nur noch um Umverteilung und nicht darum, wieder investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine nachhaltige Sicherung des Wohlstandes ermöglichen... Meine Generation wird das wohl noch überleben, aber welcher Ausgangslage sehen sich dann unsere Kinder gegenüber?
Wer es in den letzten zehn Jahren wirklich gut gemacht hat, ist die Schweiz. Der Schweizer Wohlstand hing ja eigentlich fast nur an dem Geschäftsmodell „Bankengeheimnis“, das in den vergangenen Jahren abgeschafft wurde. Und ich hätte nicht gedacht, dass sich dieses Land so schnell anpassen kann. Aber heute entstehen dort mehr und mehr produzierende Unternehmen, mit einer realen Wertschöpfung, es gibt eine niedrige Arbeitslosenquote, definierte Einwanderungspolitik – und ein funktionierendes Sozialsystem. Gut an der Schweiz finde ich auch die direkte Demokratie, dass es also Volksentscheide gibt. Auch das Steuersystem und ihre Politik hinsichtlich des Themas Migration funktioniert...
Älter werden ist für mich…
…eine Veränderung der Schwerpunkte: Plötzlich sind Dinge wichtig, die es früher nicht waren und andersherum. Außerdem achtet man, je älter man wird, vermehrt auf die eigene Gesundheit. Als besonders positiv empfinde ich, dass ich der Gesellschaft etwas zurückgeben kann: Wir unterstützen Vereine, Kindergärten, Schulen, Kirchen vor Ort. Vor zwei Jahren hat der Grundschule, auf die selbst gegangen bin, das Geld für Außentrampoline gefehlt und wir konnten aushelfen. Mein ehemaliger Grundschullehrer war auch da – eine insgesamt wirklich schöne Begegnung.
Was schätzen Sie denn am Unternehmensstandort?
Ich schätze die Verbundenheit der Bewohner mit ihrer Region, ihre Bodenständigkeit, ihren Zusammenhalt. Das ist eine besondere Kombination. Ich empfinde es als Privileg, hier auf dem Land an komplett geöffneten Fenstern arbeiten zu dürfen, wenn im Hintergrund die Vögel zwitschern.
Über das Unternehmen
Staiger entwickelt und produziert mit rund 200 Mitarbeitern Magnetventile und FluidikSysteme. Die internationalen Kunden stammen aus den Branchen Medizintechnik, Automotive, Prozesstechnik, Trinkwasser, Industriepneumatik, Energiesysteme und der Luft- und Raumfahrttechnik. Für DRÄGER Medical entwickelte Staiger zum Beispiel ein Ventil für die Beatmung von Frühchen. Marc Staiger: „Bei diesem Produkt geht es am Ende um ein Menschlein, das in eine Hand passt, was eine höchst emotionale Situation. Und unsere Ventile tragen zur Überlebenschance bei. Das macht unsere Arbeit erfüllend, das macht sie sinnstiftend.“