Letztes Jahr feierte Rosenbauer Karlsruhe sein 175-jähriges Firmenjubiläum. Damals gründete Karl Metz die Firma in Heidelberg, um die besten Geräte für die Feuerwehr zu bauen. Außerdem mitbegründete er das freiwillige Feuerwehrwesen in Deutschland. Seit 2009 steht mit Michael Kristeller dem Traditionsunternehmen ein Geschäftsführer vor, den es nach eigenen Angaben und sicher im Sinne des Firmengründers sehr erfüllt, an einem Produkt zu arbeiten, das Menschenleben retten kann. Was diesen Job außerdem „zur besten Entscheidung“ macht, erklärt er im Gespräch mit uns.
1. Mit welchen zwei Sätzen würde man Sie bei Anne Will vorstellen?
Michael Kristeller ist seit 2009 Geschäftsführer bei Rosenbauer. Er ist neugierig, möchte alles immer noch ein bisschen besser machen und weiß, dass eine gute Kommunikation im Unternehmen elementar ist...
Das war wirklich eine wichtige Erkenntnis für mich: Kommunikation als eines der wichtigsten Güter eines Unternehmens. Wenn etwas verbockt wird, liegt es selten an einer Person, sondern resultiert meist aus großflächiger Misskommunikation.
2. Welche morgendlichen Rituale haben Sie?
Ich stehe um 05:40 Uhr auf, mache Frühstück und bringe um 06:40 Uhr meine große Tochter Jade Su zum Bus. An einem klassischen Bürotag – der höchstens zweimal die Woche stattfindet – fahre ich dann 40 Minuten nach Karlsruhe, schalte den Computer ein, hole mir einen Kaffee und werfe einen kurzen Blick in die Badischen Neuesten Nachrichten und auf tagesschau.de. Aber im Grunde gibt es wenige Routine-Tage, da ich viel unterwegs bin bei Kunden, Lieferanten, in der Konzernzentrale in Österreich – da startet der Tag also häufig auch am Flughafen oder auf der Autobahn.
3. Was ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument und warum?
Das Smartphone. E-Mail, Telefon, Internet. Und WhatsApp! Das nutze ich übrigens längst nicht mehr nur privat, sondern auch sehr stark im beruflichen Kontext. Gerade unsere englischsprachigen Partner kommunizieren gern über WhatsApp.
4. Auf welche Entscheidung sind Sie besonders stolz?
Die beste Entscheidung war diesen Job hier anzunehmen, weil er die ganze Bandbreite von Vertrieb, Produktion, Logistik, Qualität und Personal vereint. Das erfüllt mich. Und es ist sehr befriedigend an einem Produkt zu arbeiten, das Menschenleben rettet. Das Schlüsselerlebnis war als meine Tochter im Kindergarten voll Stolz verkündete, dass ihr Papa Feuerwehrautos baut. Damit war sie die Heldin im Kindergarten. Am Tag der offenen Tür bin ich dann mit einer Drehleiter gekommen und habe die Kinder herumgefahren. Da gab es kein Zweifel mehr das richtige zu tun.
5. Was würde der Welt fehlen, gäbe es Ihr Unternehmen nicht?
In allererster Linie: lebensrettende Fahrzeuge. Es gibt eigentlich nur wenige Unternehmen, die Drehleitern in so einer Qualität bauen. Und das Besondere an unserer Drehleiter ist das „XS-Konzept“. Egal ob enge Straßen oder parkende Autos, wir legen besonderen Wert auf eine flexible Aufstellung und einen kompakten Aktionsradius, um Rettern auch in engsten Verhältnissen den Zugang zu Einsatzorten zu erlauben. Dazu kommt noch unser Rettungskorb, der bis zu 500 Kilogramm fasst, eine schwenkbare Krankentragenlagerung besitzt und auch Rollstuhlfahrer gefahrlos aufnehmen kann. Diese Besonderheiten zeichnen unser System aus, weshalb wir auch auf allen Kontinenten gefragt sind.
6. Welche sind die zwei größten Bedrohungen Ihres Geschäftsmodells und warum?
Aktuell sehe ich keine ernsthaften Bedrohungen für unser Geschäftsmodell. Unsere Produkte unterliegen schon immer den landesspezifischen Bauordnungen – aber das kennen wir und das können wir. Vielleicht gibt es irgendwann einmal Drohnen, die Menschen aus einem brennenden Haus retten können – ob das bei jedem Wind und Wetter oder einer gewissen Rauchbildung gelingen wird, halte ich jedoch erst einmal für fraglich. Potentielle Konkurrenten – gibt es nur wenige. Es gibt immer mal wieder Versuche aus Fernost, aber die sind bislang kläglich gescheitert. Ganz im Gegenteil: Diese Märkte werden bis heute stark von uns beliefert.
Die einzige aktuelle, potentielle Gefahr betrifft das Thema Stückkosten. Man darf in erfolgreichen Zeiten nicht übermütig werden. Denn wer weiß nie wohin die Reise geht? Insbesondere die Lohnkosten darf man nicht überziehen. Wir haben schon hohe Ratio Potentiale ausgeschöpft. Irgendwann kann man nicht mehr entgegensteuern.
7. Wer ist Ihr unternehmerisches Vorbild und was haben Sie von ihm gelernt?
Von einem ehemaligen Werkleiter aus meiner Zeit bei Daimler, habe ich gelernt, wie wichtig Kommunikation ist. Einmal schickte er mich zwei Wochen in die USA, um für alle Mitarbeiter sogenannte Learning-Maps zu machen. Dabei wurden elementare Geschäftsprozesse an einfachen Beispielen erklärt. Das Ergebnis: Die Mitarbeiter haben wahnsinnig positiv darauf reagiert, fanden es toll nun mehr Verständnis für und Wissen über die Vorgänge in ihrem Unternehmen zu haben. Oder denken Sie an die so genannten Kaminabende: Bei dieser Art der Zusammenkunft kann man unglaublich viel am Bewusstsein und der Einstellung der Beteiligten ändern und erfahren.
Ich möchte betonen, dass ich aus tiefster Überzeugung bis heute sehr viel in das Thema Kommunikation investiert habe – sei es mit unzähligen der eben genannten Kaminabende, mit Meisterrunden oder mindestens drei Betriebsversammlungen pro Jahr. Man muss die Menschen immer dort abholen wo sie sind, ihnen ihre Rolle klar machen, aber auch das große Ganze zeigen und erklären – einfach Bewusstseinsbildung betreiben, ein vernetztes Denken fördern. Nur dann kann sich Erfolg dauerhaft einstellen.
8. Haben Sie ein Lieblingszitat?
Ja: Es gibt nichts Gutes außer man tut es. Allerdings finden die meisten Leute lieber tausend Gründe, um nicht tätig zu werden. Ich sehe das anders: Selbst wenn es einmal nicht klappt, hat man es wenigstens versucht. Und meistens klappt es doch und man fragt sich, warum man jemals gezögert hat.
9. Was schätzen Sie am Standort Baden-Württemberg?
Aus geschäftlicher Sicht schätze ich die gute Zulieferindustrie, die große Dichte kreativer Mittelständler, die sehr guten Verbindungen zur Stadt Karlsruhe und den offenen Austausch mit der Landespolitik. Was ich aktuell überhaupt nicht schätze ist die Verkehrspolitik – wir haben nur noch Staus und werden eingezingelt von Baustellen, die A8 ist ein einziges Trauerspiel. Deswegen haben wir auch die Arbeitszeiten für die Mitarbeiter geändert: Ab März dürfen sie ab sechs Uhr anfangen, weil viele sonst gar keine Chance mehr auf eine „normale“ Anfahrt hätten.
10. Bitte vervollständigen Sie! Digitalisierung ist für mich…
...wesentlich. Digitalisierung ist die nächste Stufe, die nächste industrielle Revolution und man wird sich ihr nicht entgegenstellen können, sondern muss mit ihr mitgehen und die Vorteile nutzen – ohne die Risiken auszublenden. Bei uns macht sich die Digitalisierung vor allem an der umfassenden Vernetzung mit unseren Lieferanten bemerkbar, oder an einem ganz aktuellen Pilotprojekt mit der Fraunhofer-Gesellschaft: der selbstprüfenden Leiter. Unsere Drehleiter hat über 100 Sensoren und sechs intelligente Steuergeräte, die Daten liefern. Und dennoch steht an der Endabnahme weiterhin einer mit einem Maßband und nimmt die Höhe ab. Das passt einfach nicht mehr zusammen. Deswegen prüfen wir jetzt welche Daten für welche Zwecke in welcher Form genutzt werden können.
Man darf aber auch nicht zu viele Dinge auf einmal anfangen. Manchmal denke ich, dass hier auch mein Alter hilft. Mit 30 hätte ich wahrscheinlich extrem Druck gemacht und Mitarbeiter und Situationen überfordert. Heute weiß ich: Man muss sich und den anderen die Zeit geben Erfahrungen zu sammeln, Rückschläge bewusst in Kauf nehmen, um zu sehen, wo die Grenzen liegen.
Zur Person:
Michael Kristeller, Jahrgang 1964, ist verheiratet und hat zwei Töchter (8 und 10 Jahre). Er selbst mochte schon als Kind lieber die großen Autos, weshalb er nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann schnell die Karriereleiter erklomm und unter anderem bei Mercedes die Sparte Minibusse aufgebaut hat. Außerdem war er Geschäftsführer des Aufbauherstellers Westfalia Van Conversion, die Reisemobile machen. Dann lockte Rosenbauer, mit seiner „großen Strahlwirkung in der gesamten Aufbauindustrie“ und „der Standort Karlsruhe, um als Schwabe den Badenern das Schaffen beizubringen“, wie uns Kristeller mit einem verschmitzten Lachen erzählt.