STUTTGART Als vertane Chance haben die Metallarbeitgeber in Baden-Württemberg den Forderungsbeschluss der IG Metall im Land zur anstehenden Tarifrunde bezeichnet.
Die Forderung in Höhe von fünf Prozent ignoriert die strukturellen Kostenprobleme unserer Industrie völlig und passt auch nicht im Geringsten zur aktuellen Konjunktur, sagte Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, am Dienstag in Stuttgart: Die IG Metall hat die Signale nicht gehört. Obwohl sie weiß, dass viele Produktionsjobs auf der Kippe stehen, riskiert sie sehenden Auges die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder.
Wolf verwies auf das äußerst hohe Lohnniveau der Metall- und Elektroindustrie (M+E). Mittlerweile verdienten die Beschäftigten der Branche im Durchschnitt mehr als 61.000 Euro, in tarifgebundenen Unternehmen liege dieser Schnitt noch einmal höher. In Baden-Württemberg bekommen in unserer Industrie die meisten Berufsanfänger nach ihrer gewerblichen Facharbeiterausbildung mehr als 45.000 Euro im Jahr. Sollte die IG Metall ihre Forderung durchsetzen, werden es manche auf mehr als 50.000 Euro schaffen, sagte Wolf: Wo gibt es das sonst für Facharbeiter? Da droht etwas mächtig zu verrutschen. Vor allem der steile Anstieg der Entgelte in den letzten Jahren mache den Betrieben enorm zu schaffen. So seien die Tariftabellen seit dem Jahr 2000 um mehr als 53 Prozent erhöht worden. Selbst völlig Ungelernte bekommen heute mehr als 33.000 Euro im Jahr. Damals waren es noch weniger als 22.000 Euro, so Wolf: Ein Tarifbeschäftigter in der höchsten Entgeltgruppe käme dann bei einer 40-Stunden-Woche sogar auf mehr als 100.000 Euro gegenüber knapp 65.000 Euro im Jahr 2000. So etwas geht an keinem Standort spurlos vorüber.
Weil die Produktivität mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten konnte, habe die deutsche M+E-Industrie massiv an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Unsere Lohnstückkosten sind allein seit 2008 um mehr als 17 Prozent gestiegen, während sie etwa in den USA oder in Japan sogar gesunken sind, sagte der Südwestmetall-Vorsitzende: Die IG Metall brüstet sich ja damit, dass der Spielraum, der aus ihrer Sicht verteilungsneutral ist, in den vergangenen Lohnrunden mehr als ausgeschöpft wurde. Das ist doch das Eingeständnis, dass regelmäßig mehr verteilt wurde, als es eigentlich zu verteilen gab. Das durchschnittliche Gewinnniveau in der M+E-Industrie lag daher auch nach den neuesten Bundesbank-Zahlen 2013 gerade einmal bei 2,5 Prozent, wobei einige große und gut verdienende Unternehmen dieses Bild noch verzerrten, so Wolf: Fakt ist aber, dass mehr als ein Viertel unserer Betriebe Verluste schreibt oder gerade einmal eine schwarze Null schafft. Auch daran muss sich Tarifpolitik orientieren.
Die Folgen seien bereits deutlich sichtbar. Die Betriebe investierten aus Kostengründen mehr und mehr im Ausland, selbst kleinere Betriebe seien dabei, im Ausland eigene Produktionskapazitäten aufzubauen, während im Inland vor allem einfachere Produktionsjobs verloren gingen. Wir haben allein für die letzten fünf Jahre trotz einer stabilen Konjunktur knapp 90 Fälle dokumentiert, in denen unsere Mitglieder insgesamt 10.000 Jobs abgebaut und zu einem großen Teil verlagert haben, so Wolf: Die Fälle, wo der Abgesang schleichend von statten geht, sind da noch nicht einmal dazu gezählt.
Auch die Forderungsbegründung der Gewerkschaft sei hanebüchen. So ziehe die IG Metall die Zielinflation der EZB in Höhe von zwei Prozent heran und nicht die reale Inflation von zuletzt 0,3 Prozent. Das ist völliger Humbug. Die Betriebe müssen sich mit realen Rahmenbedingungen zurechtfinden, nicht mit phantasievollen Zielen, die regelmäßig nicht erreicht werden, kritisierte Wolf. Auch beim Produktivitätszuwachs setze die IG Metall Jahr für Jahr viel zu hohe Werte an: Aber sie hat es bisher versäumt, dies in einer der folgenden Forderungsrunden zu korrigieren.
Zudem passe die Forderung auch nicht zu den aktuellen Konjunkturdaten. 2015 sei die M+E-Industrie gerade einmal um 0,6 Prozent gewachsen, deutlich langsamer als die Gesamtwirtschaft. Für 2016 seien die Aussichten kaum rosiger trotz günstiger Rahmenbedingungen wie billigem Öl, niedrigen Zinsen und günstigem Euro. Hinzu kämen zahlreiche weitere Konjunkturrisiken wie die Börsenturbulenzen, die China- und Brasilien-Schwäche, die immer noch nicht ausgestandene Griechenland-Krise oder ein drohender Brexit. Selbst das Gewerkschaftsinstitut IMK spricht von einer stark gestiegenen Rezessionswahrscheinlichkeit. Da ist eine Fünf-Prozent-Forderung Gift, sagte Wolf.