IG-Metall-Gesamtforderung von zwölf Prozent aus anderer Galaxis und tarifpolitische Geisterbahnfahrt

Die baden-württembergischen Metallarbeitgeber haben der IG Metall vorgeworfen, in der anlaufenden Tarifrunde „endgültig im Wolkenkuckucksheim angekommen“ zu sein.

Nach Berechnungen des Arbeitgeberverbands Südwestmetall beläuft sich das Gesamtvolumen der IG-Metall-Wünsche auf rund zwölf Prozent. „Das ist aus einer anderen Galaxis, eine tarifpolitische Geisterbahnfahrt“, sagte der Verbandsvorsitzende Dr. Stefan Wolf am Dienstag in Stuttgart: „Das würde mehr als die Hälfte aller Betriebe in die Verlustzone stürzen. Die IG Metall muss schleunigst zu Realismus, Verstand und Vernunft zurückkehren. Wir brauchen ‚Zukunft statt zu teuer‘.“

Nach der heutigen Forderungsempfehlung des IG-Metall-Vorstands soll es neben einer sechsprozentigen Entgelterhöhung einen Anspruch für alle Beschäftigten geben, ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre von 35 auf 28 Stunden zu verkürzen. Viele Beschäftigte sollen dabei nach Vorstellung der Gewerkschaft auch noch einen Lohnzuschuss der Arbeitgeber erhalten: Eltern mit Kindern unter 14 Jahren, Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen, Schichtarbeiter und Beschäftigte in anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitsystemen.

Südwestmetall beziffert den Anteil dieser Anspruchsberechtigten auf 60 Prozent der Gesamtbeschäftigten. Bei einem Entgeltzuschuss von durchschnittlich 50 Prozent komme man exakt zu sechs Prozent zusätzlichen Kosten. „Wenn die IG Metall dann auch noch die unteren Einkommen stärker beglücken will, kann es noch teurer werden“, kritisierte Wolf: „Wo soll das bitte herkommen?“

Der Südwestmetall-Vorsitzende verwies auf die im Durchschnitt aller Betriebe eher durchwachsene Gewinnsituation. Mehr als die Hälfte der Unternehmen müsse sich mit weniger als drei Prozent Umsatzrendite begnügen: „All diesen Betrieben rasiert ein Zwölf-Prozent-Plus bei den Personalkosten den kompletten Gewinn weg.“

Als noch „aberwitziger“ bezeichnete Wolf die Ankündigungen der IG Metall, diese Forderungen mit dem „Brachialmittel von Ganztagesstreiks“ durchsetzen zu wollen: „Unsere Beschäftigten kommen im Schnitt auf rund 64.000 Euro im Jahr. Ein Schichtarbeiter verdient in 50-Prozent-Teilzeit mehr als manche Arzthelferin in Vollzeit. Da wird sich mancher, der nicht so viel verdient, die Frage stellen: Haben die die Realität aus den Augen verloren, dass die glauben, sich so etwas leisten zu können?“

Als „äußerst fragwürdig“ bezeichnete es Wolf zudem, dass es durch die Forderung der IG Metall zur ungleichen Bezahlung von gleichen Lebenssachverhalten kommen werde. So erhielten diejenigen, die schon heute in normaler Teilzeit arbeiteten, keinen Zuschuss. Auch bekämen diejenigen, die eine bezuschusste Teilzeit in Anspruch nähmen, deutlich mehr auf die Stunde als ihre in Vollzeit arbeitenden Kollegen: „Wir waren bisher stolz darauf, dass unser tarifliches Vergütungssystem keine Diskriminierung zulässt. Und jetzt fordert ausgerechnet die IG Metall so etwas!“

Tarifforderung der IG Metall zu hoch: Wie hat Südwestmetall gerechnet?

  • Die IG Metall beziffert den Anteil der Eltern mit Kindern unter 14 Jahren sowie der Beschäftigten mit pflegebedürftigen Angehörigen auf rund 40 Prozent (IG-Metall-Beschäftigtenbefragung 2017).
  • Der Anteil der Schichtarbeiter wird mit 32 Prozent angegeben. Ergänzt um weitere Beschäftigte in „gesundheitlich belastenden“ oder „restriktiven“ Arbeitszeitsystemen wird dieser Wert auf 35 Prozent taxiert.
  • Bereinigt um Doppelungen in der Schnittmenge (z.B. Eltern in Schichtarbeit, Schichtarbeiter mit Kindern) ergibt sich ein Wert von 61 Prozent, der auf 60 Prozent abgerundet wird.
  • Angesetzt wird eine Arbeitszeitreduzierung aller Anspruchsberechtigten von 35 auf 28 Stunden.
  • Die exakte Höhe des Entgeltzuschusses hat die IG Metall in ihrer Forderungsempfehlung nicht beziffert. Aufgrund früherer Aussagen geht Südwestmetall davon aus, dass im Durchschnitt die Hälfte des reduzierten Entgelts als Zuschuss aufgestockt werden soll (ggf. mit einer stärkeren Aufstockung in den unteren Entgeltgruppen). Daraus ergibt sich eine Personalkostenbelastung von sechs Prozent (einschließlich der Aufstockung der entfallenden Arbeitszeit durch weiteres Personal) – zusätzlich zur Entgeltforderung von sechs Prozent.
  • Für die gesamte Metall- und Elektroindustrie (M+E) wird ein durchschnittlicher Personalkostenanteil von 30 Prozent angenommen. Dieser würde sich durch die Gesamtforderung um zwölf Prozent erhöhen, die gesamten Umsatzkosten der Unternehmen um 3,6 Prozent.
  • In der M+E-Industrie haben 2016 rund 55 Prozent der Betriebe einen Gewinn von weniger als drei Prozent des Umsatzes gemacht (ifo-Institut), der Anteil derer, die unter 3,6 Prozent liegen, dürfte deutlich mehr als 60 Prozent betragen.
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