Corona-Umfrage: Noch mehr Kurzarbeit – drastische Umsatzrückgänge erwartet

08.05.2020

Die Leitbranche der baden-württembergischen Wirtschaft, die Metall- und Elektroindustrie (M+E) ist knapp zwei Monate nach Beginn der massiven Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie noch tiefer in die Krise gerutscht. Das zeigt die aktuelle Umfrage des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, wonach sich inzwischen knapp zwei Drittel der Betriebe in Kurzarbeit befinden und im Schnitt mit einem Umsatzrückgang von mehr als 20 Prozent für das Gesamtjahr gerechnet wird.

„Erfreulich ist zwar, dass Kündigungen noch kaum ein Thema sind. Alarmierend ist aber, dass knapp die Hälfte der Unternehmen diese nicht mehr ausschließt, sollte sich die Lage in den nächsten Monaten nicht bessern. Und wir sehen auch, dass der Konjunkturmotor nach den ersten Lockerungen nicht einfach wieder anspringt“, sagte Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick am Freitag bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse: „Wir brauchen daher ein Maßnahmenpaket, das zu mehr Vertrauen in eine stabilere Wirtschaftsentwicklung beiträgt. Dazu zählen schnellstmöglich eine klare Ansage für ein umfassendes Programm zur Stimulierung von Konjunktur und Konsum, weitere Entlastungen für Unternehmen mit Liquiditätsproblemen, ein langfristiges Belastungsmoratorium für Betriebe und Beschäftigte, ein professionelles Test- und Tracing-Management zur konsequenten Nachverfolgung und Eindämmung von Neuinfektionen, aber auch einen substanziellen Beitrag der Sozial- und Tarifpartner, der den Betrieben dabei hilft, Beschäftigung zu sichern.“

Gegenüber der letzten Umfrage von Anfang April hat sich der Anteil der Firmen, die sich „stark“ bzw. „sehr stark“ von der Corona-Krise betroffen sehen, signifikant von 43 auf 52 Prozent erhöht – bei einer schwachen Kapazitätsauslastung. „Hauptgrund ist mit noch deutlicherem Abstand die fehlende Nachfrage, aber auch Vorschriften und Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz führen zunehmend zu Einschränkungen“, sagte Dick.

Im Durchschnitt rechnen die Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von knapp 22 Prozent für das Gesamtjahr, wobei mehr als jedes sechste Unternehmen sogar mit einem Minus von über 30 Prozent kalkuliert.

Der Anteil der Firmen, die Kurzarbeit nutzen, ist nochmals deutlich auf mehr als 64 Prozent gestiegen. „Von den rund einer Million Beschäftigten in unserer Industrie im Land sind demnach schätzungsweise gut 450.000 aktuell in Kurzarbeit“, sagte der Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer.

Trotz der schweren Verwerfungen haben derzeit noch erst vier Prozent der Betriebe bereits Kündigungen ausgesprochen, während aber Zeitarbeit noch mehr reduziert wurde und weitere befristete Jobs beendet wurden.

Auch tarifliche Instrumente wie Freistellungstage und flexible Arbeitszeitregelungen wurden intensiv genutzt, um dem dramatischen Nachfrageeinbruch zu begegnen. „Was uns jedoch die größten Sorgen bereitet, ist, dass knapp die Hälfte der Betriebe Kündigungen nicht mehr ausschließt – und das oftmals bereits in den nächsten vier bis fünf Monaten“, sagte Dick.

Angesichts der Schwere des Konjunktureinbruchs fordern die Metallarbeitgeber zeitnah ein umfassendes Programm für die Industrie und die gesamte Wirtschaft zur Stimulierung des Konsums. „Die ersten Tage nach den Lockerungen zeigen uns bereits, dass der Konjunkturmotor nicht wieder von alleine anspringt und gleich auf volle Touren kommt“, sagte Dick.

Er warnte jedoch davor, die Entscheidung über mögliche Kaufanreize zu lange hinauszuzögern: „Die Diskussion ist in der Welt, manche potenziellen Kunden spekulieren bereits darauf, dass sie in ein paar Wochen vielleicht eine Prämie z.B. beim Autokauf bekommen – und schieben den Kauf daher noch hinaus. Das ist Gift. Die Politik muss daher jetzt erklären, dass alle etwaigen Konsumanreize rückwirkend zum heutigen Zeitpunkt in Anspruch genommen werden können – sonst wirkt die Unklarheit wie ein AntiKonjunkturprogramm.“

Als immer drängenderes Problem sehen die Metallarbeitgeber die Liquidität, die in vielen Betrieben wie Schnee in der Sonne zu schmelzen drohe – trotz der richtigen Sofortprogramme und finanziellen Hilfen von Bund und Land, warnte Dick: „Die Politik muss daher schnell nachlegen und den Betrieben Maßnahmen ermöglichen, die die Liquidität schonen.“

Einen wichtigen Beitrag könnten dabei auch die Tarifpartner gerade in der baden-württembergischen M+E-Industrie leisten. Hier würden nämlich die tariflichen Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld noch stärker an der Liquidität der Unternehmen zehren als im Rest der Republik. Hinzu kämen zusätzliche Kosten für den Infektionsschutz im Betrieb. Dabei gehe es nicht nur um Schutzwände, Kleidung oder Masken, sondern z.B. auch um entzerrte Schichten, um Kontakte zu verringern, so Dick: „Das geschieht vor allem zum Schutz der Mitarbeiter. Da ist dann nicht einzusehen, dass die Betriebe dafür auch noch zusätzliche Spätzuschläge zahlen sollen.“ Südwestmetall habe daher mit der badenwürttembergischen IG Metall Gespräche aufgenommen, um über einen Beitrag die Tarifparteien bei der Krisenbewältigung und Beschäftigungssicherung zu sprechen.

Südwestmetall appellierte zudem an die Politik, ein noch umfassenderes System von schnellen Tests und der Nachverfolgung von Neuinfektionen aufzubauen. „Es ist das Verdienst der Menschen in unserem Land, dass wir die Zahl der täglichen Neuinfektionen drücken und so erste Lockerungen ermöglichen konnten. Auch die Unternehmen haben mit einem umfassenden Arbeits- und Gesundheitsschutz ihren Teil dazu beigetragen“, sagte Dick.

Positiv bewertete er die Festlegung einer klaren Grenze bei den Neuinfektionen, auf die dann auch regional und lokal entsprechend reagiert werden könne. Dies sorge für Sicherheit, dass nicht gleich zwingend dem ganzen Land ein erneuter Shutdown drohe: „Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für ein engmaschiges Test- und Tracing-System zur Nachverfolgung.“ Entsprechende Apps seien vereinzelt in anderen Ländern bereits im Einsatz: „Wir brauchen die Tracing-App ebenfalls jetzt, und nicht erst, wenn der Berliner BER-Flughafen geöffnet ist.“

Zuletzt fordern die baden-württembergischen Metallarbeitgeber von der Politik ein langfristiges Belastungsmoratorium für Betriebe und ihre Beschäftigten. „Im Moment wird viel Geld in die Hand genommen, um die schlimmsten Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern. Und das ist gut so“, sagte Dick. Aber irgendwann müsse die Rechnung auch beglichen werden. Und dabei rede man schon jetzt von der schlimmsten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik. „Da ist absehbar, dass es für lange Zeit keinen Spielraum mehr gibt für kostspielige soziale Wohltaten“, so Dick: „Und auch weitere gesetzliche Regeln, die die Unternehmen einengen und belasten, sind da fehl am Platze und erschweren die Erholung.“

Forderungen

Umfassendes Programm für die Industrie/Wirtschaft zur Stimulierung des Konsums.

  • Kaufanreize zur Belebung der Konjunktur
  • Schnelle Entscheidung, um „Anti-Konjunkturprogramm“ durch Unsicherheit zu vermeiden
  • Ggf. Ankündigung, Kaufanreize rückwirkend in Kraft zu setzen
  • Zielgerichtete Maßnahmen, um v.a. Beschäftigung in Deutschland zu sichern
  • Kein „Ausspielen“ verschiedener Maßnahmen: Fast jeder Euro ist hier gut investiert und refinanziert sich durch Einsparungen (z.B. beim Kurzarbeitergeld, bei Finanzhilfen etc.)
  • Keine Überfrachtung der Kaufanreize mit anderen Zielen: Jetzt geht es um die Rettung von Beschäftigung und die Finanzierbarkeit des Sozialstaats heute – nicht schon um die Rettung der Welt von morgen
Sicherung der Liquidität der Unternehmen
  • Bisherige politische Maßnahmen und finanzielle Hilfen hilfreich, aber nicht ausreichend
  • Möglichkeiten müssen erweitert werden, z.B. längerfristige Stundung der SV-Beiträge, erweiterte Verlustverrechnung mit Vorjahren
  • Sozialpartner müssen tarifvertragliche Vereinbarungen treffen, die die Unternehmen bei den Kosten entlasten, z.B. bei der tariflichen Aufstockung des Kurzarbeitergeldes, bei den zusätzlichen Kosten für erweiterten Arbeits- und Gesundheitsschutz, durch maximale Ausnutzung tariflicher Differenzierungsmöglichkeiten (z.B. Streichung T-ZUG-Zusatzbetrag)

Engmaschiges System zur Erfassung und Nachverfolgung von Covid-19-Neuinfektionen

  • Beschleunigung der Testverfahren, häufigeres und regelmäßiges Testen in kritischen Bereichen, zumindest Ausnutzung der vorhandenen Testkapazitäten
  • Zeitnahe Einführung einer Tracing-App zur effizienten Nachverfolgung der Kontakte von Infizierten

Langfristiges Belastungsmoratorium für Betriebe und Beschäftigte

  • Keine weiteren kostspieligen, nicht mehr zu finanzierenden sozialen Wohltaten (auch die Grundrente muss nochmals auf den Prüfstand)
  • Verzicht auf weitere Regulierungen und bürokratische Belastungen der Betriebe wie z.B. Einschränkung sachgrundloser Befristungen, einseitiger Arbeitnehmeranspruch auf Homeoffice, überzogene Regelungen bei der Arbeitszeiterfassung
  • Erleichterung bei gesetzlichen Regelungen, um mehr Flexibilität in der wirtschaftlichen Erholung zu ermöglichen (z.B. bei den Arbeitszeitregelungen).
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