Corona-Umfrage: Bodenbildung bei Produktionsrückgang und Kurzarbeit zeichnet sich ab

23.06.2020

In der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie (M+E) gibt es laut einer Umfrage erste Anzeichen, dass hinsichtlich Produktionsumfängen, Kurzarbeit und Umsatzausfällen allmählich die Talsohle des Corona-bedingten Abschwungs erreicht sein könnte. „Wir sehen jetzt aber umso mehr die Herausforderung, vermehrten Personalabbau und Insolvenzen durch Liquiditätsengpässe möglichst zu vermeiden“, sagte Dr. Stefan Wolf, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, am Dienstag in Stuttgart: „Unsere Mitglieder erleben den stärksten Rückgang in Deutschland und Westeuropa. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung muss daher nun schnell und unbürokratisch umgesetzt werden, um das Vertrauen der Konsumenten stärken. Und die Landesregierung und die EU müssen ihre angekündigten Konjunkturhilfen beschleunigt auf den Weg bringen. Wenn diese Entscheidungen auf den Herbst verschoben werden, wird das den enormen Herausforderungen nicht gerecht.“

In der dritten Mitgliederbefragung der Metallverbände von Mitte Juni zeichnet sich bei mehreren Indikatoren eine Bodenbildung ab. Der Anteil der Unternehmen, deren Produktion von der Krise „stark“ oder „sehr stark“ betroffenen ist, ist nicht weiter gewachsen, der Anteil der „sehr stark“ betroffenen sogar zurückgegangen. Die Kapazitätsauslastung ist wieder leicht gestiegen, die Umsatzerwartungen für das Gesamtjahr sind weniger negativ. Der Anteil der Unternehmen, die in Kurzarbeit sind, hat zwar mit mehr als 70 Prozent einen neuen Höhepunkt erreicht. Allerdings ist im Gegenzug die Zahl der Firmen, die Kurzarbeit erst noch planen, deutlich zurückgegangen, auch der Umfang der Arbeitszeitreduzierung hat sich etwas verringert. Kurzarbeit absehbar zu reduzieren oder sogar zu beenden, plant zudem bereits knapp ein Fünftel der Unternehmen, die sogar mehr als ein Drittel der von der Umfrage abgedeckten Arbeitnehmer beschäftigen.

„Angesichts der Umfragewerte können wir sicherlich noch keine Entwarnung geben, aber doch den Fokus auf die nun drängendsten Probleme lenken, Insolvenzen und Kündigungen zu vermeiden“, sagte Wolf. Nach Berechnungen des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) steigt das Insolvenzrisiko schon beim Verlust eines Monatsumsatzes enorm. „Unsere Firmen rechnen für dieses Jahr im Schnitt aber mit einem Umsatzausfall, der eineinhalb Monaten entspricht“, so Wolf. Laut Umfrage schließt zudem mittlerweile mehr als die Hälfte der Unternehmen Kündigungen nicht mehr aus – in der Tendenz eher die kleineren Betriebe, die für gut ein Viertel der Beschäftigten stehen. Knapp 45 Prozent planen konkret, die Beschäftigtenzahl in den nächsten Monaten zu verringern. „Unsere Unternehmer handeln verantwortungsvoll. Für sie ist Stellenabbau immer das letzte Mittel – auch, weil sie wissen, wie schwer man Fachkräfte in besseren Zeiten findet“, sagte der Südwestmetall-Vorsitzende: „Die Zahlen zeigen daher den Ernst der Lage, auf den auch die Politik angemessen reagieren muss.“

Neben der Politik sieht Wolf auch die Unternehmen in der Verantwortung: „Sie können, wo sinnvoll, z.B. die gesenkte Mehrwertsteuer an die Kunden weitergeben und damit einen echten Konsumanreiz setzen. Auch die verschiedenen Investitionshilfen und -erleichterungen sollten zeitnah genutzt werden.“ Einen wichtigen Beitrag könnten zudem Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam leisten. „In der Finanzkrise 2009 hat das entschlossene gemeinsame Handeln der Sozialpartner und der Politik entscheidend dazu beigetragen, zunächst mit Kurzarbeit Beschäftigung zu halten und so eine schnelle Konjunkturerholung zu ermöglichen, die letztlich in einen zehnjährigen Aufschwung und in Rekordbeschäftigung mündete“, so Wolf: „Warum sollte uns das nicht wieder gelingen? Es war schon klug und richtig, die Tarifrunde in unserer Industrie in diesem Jahr auszusetzen. Und auch in den kommenden Monaten muss und kann die Tarifpolitik einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten – und darf nicht zum Wackerstein für die Betriebe werden. Da erkennen wir derzeit bei der IG Metall wenig Einsicht und Bereitschaft.“

Erstmals gefragt wurden die Unternehmen zur Ausbildung. Dabei zeigt sich, dass die Corona-Pandemie eher geringe Auswirkungen auf aktuelle Ausbildungsverhältnisse hat. Für die Ausbildungsjahre 2020/21 bzw. 2021/22 planen jeweils rund zwei Drittel der Firmen mit stabilen Zahlen, jeweils rund ein Drittel mit weniger Plätzen. „Die Ausbildungsbereitschaft in vielen Betrieben bleibt trotz der enorm schwierigen Situation erfreulich hoch, das Glas ist noch mehr als halb voll“, sagte Wolf: „Doch auch hier müssen passgenaue Fördermaßnahmen und eine baldige Konjunktur-erholung dazu beitragen, dass es dabei bleibt – oder sich das Glas bestenfalls noch weiter füllt.“ Grundvoraussetzung dafür, wie auch für die wirtschaftliche Erholung, sei natürlich, dass das Corona-Infektionsgeschehen unter Kontrolle bleibe: „Hier müssen wir uns alle noch eine ganze Weile an die entsprechenden Regeln halten – vielleicht noch konsequenter, als dies vielfach der Fall ist.“

 

An der Umfrage vom 15. bis zum 19. Juni 2020 haben sich 322 (Vormonat: 299) verbandsgebundene Unternehmen der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie mit insgesamt mehr als 319.000 Beschäftigten beteiligt. Unternehmen aus dem Maschinenbau waren dabei am stärksten vertreten, gefolgt von Betrieben aus den Branchen „Herstellung von Metallerzeugnissen“, „Elektrotechnik/DV-Geräte“, „KfZ-Herstellung“ sowie „Metallerzeugung/-bearbeitung“.

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