Porth: „Wir wollen Beschäftigung sichern und fordern die Gewerkschaft auf, gemeinsam mit uns über zukunftsfähige Lösungen zu verhandeln.“
16.12.2020
Die Arbeitgeber haben in der ersten Verhandlung der Tarifrunde 2021 in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie (M+E) der Gewerkschaft ihre Forderungen vorgelegt. „Wir befinden uns in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Und unsere Industrie steht vor großen Veränderungen. Diese Tarifrunde hat Auswirkungen auf sehr viele Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Wir möchten möglichst viele davon sichern und fordern die Gewerkschaft daher auf, gemeinsam mit uns über zukunftsfähige Lösungen zu verhandeln“, sagte der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Wilfried Porth, am Mittwoch nach der ersten Verhandlung in Stuttgart: „Dafür wollen wir unsere Betriebe wettbewerbsfähiger und zukunftssicher machen, indem wir keine weiteren tariflichen Kostenbelastungen zulassen, die Arbeitskosten senken, Möglichkeiten der Differenzierung schaffen und die Tarifverträge weniger komplex gestalten.“
Im Einzelnen fordern die Metallarbeitgeber:
- Keine weiteren tariflichen Kostenbelastungen, bis die M+E-Industrie wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat;
- Senkung der Arbeitskosten insbesondere bei einigen tariflichen Sonderbelastungen in Baden-Württemberg;
- Eine im Flächentarif geregelte automatische Differenzierung nach definierten Kennzahlen für Betriebe mit besonderen Herausforderungen sowie die Möglichkeit einer betrieblichen Variabilisierung von Sonderzahlungen;
- Die Tarifverträge einfacher gestalten mit dem Ziel, den Aufwand für die Umsetzung in den Betrieben zu verringern.
Porth verwies darauf, dass die M+E-Industrie in Deutschland bereits 2019 in eine Rezession gerutscht sei, ehe Anfang 2020 der Pandemie-bedingte tiefe Absturz folgte: „Investitionen, die auf Basis der ursprünglichen Prognosen getätigt wurden, haben sich als zu optimistisch erwiesen. Die Ausfälle der letzten beiden Jahre sind selbst bei einer zügigen Erholung unwiederbringlich verloren.“ Dennoch hätten die Unternehmen bislang ihre Belegschaften weitgehend stabil gehalten. „Deshalb fordern wir als Beitrag zur Krisenbewältigung, auf weitere tarifliche Kostenbelastungen zu verzichten, bevor wir das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben, also absehbar nicht vor 2022“, sagte der Südwestmetall-Vorsitzende: „Alles andere würde die Beschäftigung gefährden.“ Dies sei auch für die Beschäftigten zumutbar: „Selbst bei einer erneuten Nullrunde werden sie 2021 real mehr Geld in der Tasche haben als vor dem Lohnplus aus dem letzten Tarifabschluss, das 2018 und 2019 wirksam wurde.“
Um neben der Krisenbewältigung auch die anstehende Transformation – z.B. Digitalisierung, Elektromobilität – erfolgreich gestalten zu können, fordern die Arbeitgeber zudem, die Arbeitskosten zu senken. „Dabei haben wir vor allem – aber nicht nur – die tariflichen Sonderbelastungen im Blick, die sich in Baden-Württemberg in der Vergangenheit aufgetürmt haben.“ Als Beispiel nannte er die Spätzuschläge bei Schichtarbeit, die bundesweit üblicherweise erst ab 16 Uhr bezahlt werden, in Baden-Württemberg jedoch schon ab 12 Uhr. „Wir bezahlen Spätzuschläge, wenn andere in die Mittagspause gehen“, sagte Porth.
Als weiteren Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung der Transformation fordert Südwestmetall eine im Flächentarifvertrag geregelte automatische Differenzierung, die anhand definierter Kennzahlen Kostenentlastungen in den Betrieben auslöst. Zudem gelte es, tariflich die Möglichkeit zu schaffen, auf betrieblicher Ebene jährliche Sonderzahlungen zu variabilisieren. „Unsere Industrie ist hochgradig heterogen, die Herausforderungen sind höchst unterschiedlich. Dafür wollen wir eine Lösung anbieten, auch, um die Akzeptanz des Flächentarifs zu stärken“, so Porth: „Dies kann Betrieben helfen, für die Transformation erforderliche Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen und damit Arbeitsplätze zu sichern, oder auch wirtschaftlich besonders schwierige Situationen zu meistern.“
Zudem wollen die Metallarbeitgeber Tarifverträge künftig einfacher und handhabbarer gestalten, aber auch die bestehenden Verträge entschlacken. „Es darf nicht sein, dass jeder Tarifabschluss dazu führt, dass der Aufwand für die Umsetzung in den Betrieben steigt“, sagte der Südwestmetall-Vorsitzende: „Wenn es uns gelingt, diesen Trend umzukehren, wird auch dies die Akzeptanz der Tarifpartnerschaft stabilisieren.“